zurück

"NOSTOS". Kunstpädagogisches Projekt

zurück

"NOSTOS". Kunstpädagogisches Projekt

Projektkoordination: Oleh Barasii, Markosh Kryzhak

Projektteam: Oleh Barasii, Markosh Kryzhak, Oksana Matiychuk, Tereza Yakovyna, Stanislav Turina

Seit Beginn des russisch-ukrainischen Kriegs haben knapp 15 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer ihr Heim verloren und mussten als Binnenflüchtlinge oder im Ausland Zuflucht suchen. Unter ihnen sind sehr viele Kinder und Jugendliche, die kein Zuhause mehr haben und gezwungen sind, an neuen Orten und in fremden Häusern, Wohnheimen bzw. Notunterkünften zu wohnen.

Die Bedeutung dessen, was Heim ist und welche Rolle es für jede und jeden spielt, hat sich unter diesen Bedingungen grundlegend verändert. Für die Bewältigung des vielfachen und häufig endgültigen Verlusts bedarf es an Möglichkeiten der Artikulation und der (Neu)Verortung. Künstlerische Zugänge schaffen solche Möglichkeiten.

Das kunstpädagogische Projekt NOSTOS (Altgriechisch für Heimkehr) gab geflüchteten Jugendlichen und Jugendlichen aus Tscherniwzi im Alter zwischen 14 und 17 Jahren die Möglichkeit sich gemeinsam mit dem Begriff des Heims und dessen kriegsbedingten, individuellen Begriffsverschiebungen auseinanderzusetzen. Gemeinsam mit den Kurator*innen des Projektes sowie mit Mentor*innen aus der ukrainischen Kunstszene artikulierten die Teilnehmer*innen entlang künstlerischer Praktiken ihr individuelles Verhältnis zum Begriff Heim, stellten sich damit verbundenen Fragen und versuchten Antworten zu finden oder neue Blickwinkel bzw. Dimensionen auszuloten.

Ende August 2022 veröffentlichten wir eine Ausschreibung von zehn Projektplätzen, von denen die Hälfte für Geflüchtete und die andere Hälfte für ortsansäßige Jugendliche zur Verfügung stand. Auf diese Weise kamen Personen mit sehr verschiedenen Erfahrungen zusammen: Von der unfreiwilligen Übersiedelung ohne Eltern zu Verwandten im Ausland in den ersten Kriegsmonaten, über den Umzug in die Großstadt Tscherniwzi aus einem kleinen Dorf oder aus einer noch wesentlich größeren Stadt hin zur bereits 2014 erfolgten Flucht nach Tscherniwzi und dem Gefühl, hier angekommen zu sein. 

Das Projekt dauerte vom 1. bis zum 31. Oktober. Zentraler Bestandteil waren drei kunstpädagogische Workshops. 

Die Künstlerin Tereza Yakovyna (Prykarpattian Theater) schlug vor, sich dem Begriff Heim über eine Modellierung mit Karton anzunähern. U.a. bildete jemand sein wegen des Krieges verlassenes Zimmer nach, jemand schuf ein Baumhaus, das den Traum von einem eigenen Heim in der Zukunft verkörpert, und noch jemand zündete das Dach seines Kartonhauses an und markierte damit die Auswirkungen des Krieges auf sein Gefühl von Sicherheit und Unversehrtheit, für das sein Heim früher stand. Nach Abschluss des Workshops reisten alle Arbeiten nach Düsseldorf, zur Ausstellung Our Apartments, Houses, Cottages, Garages, Offices and Backyards, die den Abschluss des mehrmonatigen Projektes Theater of Hopes and Expectations des Künstlerkollektivs Prykarpattian Theater, zu dem Tereza Yakovyna gehört, im Düsseldorfer Volksgarten bildete.   

Der darauffolgende Workshop war dem kreativen Schreiben gewidmet und wurde vom Projektkoordinator Oleh Barasij durchgeführt. Die Teilnehmer*innen setzten die Heime, die sie im Workshop mit Tereza Yakovyna geschaffen hatten, in Worte um, arbeiteten mit Metaphern und schufen aus Wörtern, die sie aktuellen ukrainischen Zeitungen entnahmen, neue Texte. Neben dem Thema des Heims berührten die Jugendlichen auch andere Themen, die sie aktuell beschäftigen: Identität, Erwachsenwerden, Krieg.

Den dritten und letzten Workshop leitete Stanislav Turina. Ausgehend von der Idee, dass ein Heim auch Ort schöner Erinnerungen und gemeinsamer Erfahrungen mit nahestehenden Menschen ist, wollte er mit den Teilnehmerinnen im Verlauf mehrerer Tage eine ebensolche Erfahrung schaffen. In der Arbeit mit Stanislav ging es um Erinnern und Erinnerung und um die Vertiefung von Beziehungen der Teilnehmer*innen untereinander.

Während des letzten Treffens besprachen wir die zukünftige Publikation und die geplante Ausstellung. Bei einem gemeinsamen Abendessen mit unseren Freunden von der Initiative 20Partizan_n ließen wir das Projekt ausklingen. Ihr Projekt TILO MISTA (Stadtkörper), das auf die Integration geflüchteter Jugendlicher zielte, endete am selben Tag wie NOSTOS. Das war eine schöne Gelegenheit, viele junge Menschen aus verschiedenen Städten, die jetzt in Tscherniwzi bzw. Iwano-Frankiwsk (TILO MISTA fand in beiden Städten statt) wohnen, zusammenzubringen. 

Die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung sollen in einer Publikation und in einer Ausstellung festgehalten werden, in denen sich die Polyphonie der Diskussionen und künstlerischen Verarbeitungsformen verdichtet.

No items found.
No items found.